Text & Photos: Philippe Chanton
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Für einmal schien das
Wetter nicht das Problem für die Skitourentage zu werden. Das bereits
lange anhaltende Hoch sollte auch für unsere 5 Tourentage im Südtirol
halten. Zu Beginn der Woche mussten wir jedoch einen viel schlimmeren
Tiefschlag verkraften. Am Tag der Abreise nach Sulden mussten wir
unseren jungen Club-Kameraden Hannes Lochmatter schweren Herzens zu
Grabe tragen. Ein tragischer Töffunfall beendete sein noch junges Leben.
Dieses traurige Ereignis begleitete uns während der ganzen Woche wie
eine dunkle Regenwolke. Doch Hannes hätte nicht gewollt, dass wir
deswegen unsere Skitourentage absagen und so fuhren wir Anfang
Nachmittag Richtung Südtirol ab.
Durch unzählige Täler und Tunnels, über apere Pässe, vorbei an
dutzenden von Gämsen und Hirschen und durch malerische Dörfer führte
unsere sehr lange Anfahrt in das Land von Gustavo Thöni und Reinhold Messner. Die Schweiz ist schon ein grosses Land, wenn man nur genügend
Kurven schlägt. Die üblicherweise schneesicheren Gegenden im Goms oder
am Julierpass präsentierten sich bereits sehr frühlingshaft. An
Skitouren war hier nicht mehr zu denken. Spätabends trafen wir im
dunklen Sulden am Ortler ein, wo wir auch unsere Deutschschweizer
Delegation erstmals zu Gesicht bekamen. Zimmerverteilung,
Begrüssungsapéro und ab in die Heia, so unser Restprogramm des
Anreisetages.
Die Kennenlerntour
Um die Gegend rund um Sulden und die neuen Tourenkollegen
besser kennenzulernen, wollte Jan an diesem ersten Tag eine
Kennenlerntour durchführen. Das Ziel war die Suldenspitze. Dank
christlicher Weckzeit und fürstlichem Frühstücksbuffet konnten wir den
ersten Tourentag bei besten Voraussetzungen starten. Nach kurzer
Bahnfahrt fanden wir uns bei der Schaubachhütte auf über 2'600 m. ü. M in weisser
Umgebung wieder. Es gab ihn also noch, den Schnee. In gemächlichem
Schritt führten uns Jean-Paul und Jan gekonnt auf unser erstes Tagesziel,
welches wir nach ca. 2h30 vollzählig erreichten. Umrahmt von einem
tollen Panorama stellten wir uns für ein erstes Gipfelfoto auf.
Hier lernten wir auch den einheimischen Bergführer Ernst kennen,
welcher mit seinem lustigen Tirolerhut so manche Blicke auf sich zog. Er
empfahl uns eine lange Abfahrt „gleich um die Ecke“. Auf geht’s Buam,
das machen wir doch! Nach einem kurzen Pit-Stop im Rifugio Gianni Casati
und einem kleinen Gegenhang fanden wir auf einem Nebengipfel 3 alte
Schiffskanonen! Nein wir hatten nicht zuviel Genepi konsumiert, hier
lagen tatsächlich 3 solche Metallkolosse auf dem Grat. Ernst erklärte
uns, dass die Partisanen diese Kanonen beim Kampf gegen die Italiener
mit Hilfe von Pferden und Gefangenen hierher schleppten, um so ihre
Freiheit zu erkämpfen. Anscheinend haben sie nicht viel getroffen, denn
heute fahren die Südtiroler immer noch mit italienischen Autoschildern
herum… Nach dieser geschichtlichen Exkursion genossen die meisten von
uns die lange Talfahrt auf den immer spärlicher werdenden Schneeresten.
Obwohl skitechnisch nicht sehr anspruchsvoll, deckte diese Skitour doch
bereits die ersten Schwächen auf – somit war Jan’s Ziel des
Kennenlernens schon mal erfüllt.
Apropos Kennenlernen: Unsere Abfahrt führte uns in ein Nachbartal.
Von dort aus fuhren wir über eine Stunde lang mit zwei Taxis zurück nach
Sulden, durch blühende Erdbeer- und Apfelplantagen. Die beiden
Chauffeure liessen es sich nicht nehmen, uns ausführlich in die
Geschichte und die Sitten des Südtirols einzuführen. In unserem Hotel
Eden befanden wir uns, wie der Name schon erahnen lässt, im Paradies.
Ein 5-Gang-Menü mit herrlichen Spezialitäten aus dem Südtirol erfreute
unsere Gaumen bereits am ersten Abend. Auf Jans Frage ob wir mit dem
ersten Tag zufrieden seien, antworteten wir knapp mit: Ja sehr! Nur
unser neues Mitglied René aus dem flachen Aargau hatte noch ein paar
Verbesserungsvorschläge auf Lager. Seine kontroversen Ideen wurden von
einigen noch bis tief in die Nacht in der Nachbar-Bar diskutiert.
Die Schräghangtour
Am Frühstückstisch vom Freitagmorgen lachte uns bereits die
Sonne entgegen – ein weiterer schöner Tag stand uns bevor. Mit der
Sesselbahn, welche uns durch die des Aufpralls beim Aufsitzen beinahe
wieder in die aperen Matten katapultierte, erreichten wir den Startpunkt
unserer zweiten Skitour. Heute war Schräghanglaufen angesagt – nicht
gerade ideal für Schneeschuhe und Snowboard. Amanda schlug sich jedoch
tapfer und konnte uns ohne grosse Mühe folgen – Chapeau! Die heutige
Tour führte uns über Stock, Stein und Lawinen. Vor allem die
Lawinenkegel mit ihren unzähligen Eisknollen ermüdete unsere Truppe beim
Aufstieg. Bei sehr warmen Temperaturen erreichten wir die verlassene
Düsseldorferhütte. Ab hier war das Schräghanglaufen nun für eine Weile
vorbei und wir konnten endlich unser Tagesziel erblicken: Die
Tschenglser Hochwand.
Bevor es aber soweit war, mussten wir noch ein steiles Couloir
aufsteigen. Mit vielen Spitzkehren und letztendlich mit geschulterten
Skiern erreichten wir reichlich verschwitzt das Tschenglser-Joch. Die
Temperaturen waren nun so warm, dass wir auf einen Gipfelsturm
verzichteten, um uns auf der Rückfahrt nicht unnötig in Lawinengefahr zu
begeben. Ein Sprung in die Tiefe und eine bis zu 40° steile
Couloir-Abfahrt bei besten Schneeverhältnissen konnten wir nun geniessen.
Die noch aufsteigenden Personen wurden zu ihrem Leidwesen als Torstangen
benutzt – ohne sie jedoch zu kippen. Auf der Talfahrt mussten wir noch
ein paar Mal die Skier abschnallen und einige apere Seiten queren.
Dieser Effort wurde schlussendlich mit einer tollen Pistenabfahrt bis
nach Sulden belohnt, wo wir uns verdientermassen ein paar Radler
genehmigten. Obwohl wir Renés Verbesserungsvorschläge nicht wirklich
umsetzten, waren abends alle sehr zufrieden und wir konnten uns wieder
unserem neuen Hobby, dem Schlemmen, zuwenden.
Die Königstour
Für die samstägliche Tour hatten wir die Königsspitze
ausgewählt. Dieser prächtige Berg gleich neben dem Ortler hatte unsere
Blicke bereits seit Tagen auf sich gezogen. Der König musste heute
erkämpft werden. Nach der gemütlichen Seilbahnfahrt und dem leichten
Anmarsch zum Fusse des Berges begann der steile Aufstieg. Nach ein paar
wenigen Spitzkehren wurde das Couloir zu steil, wir mussten die Skier
auf den Rucksack binden und die Steigeisen und den Klettergurt montieren.
Im Zickzack folgten die 12 Gipfelstürmer nun den Spuren von Philippe.
Nach der steilsten Passage (um die 48°) gefiel es Carmen nicht mehr.
Zusammen mit Franz trat sie die Abfahrt an, um uns anschliessend aus
sicherer Entfernung beim Aufstieg zu beobachten.
Im Vergleich zu den anderen Bergsteigern waren wir heute reichlich
spät dran. Das merkten wir spätestens, als uns die früher gestarteten
bei ihrer Abfahrt um die Ohren fuhren. Hier wartete noch ein Spektakel
ganz besonderer Güte auf uns. Steine und Eisstücke pfiffen an unseren
Köpfen vorbei. Beats’ Grächen-Kappe musste dabei dran glauben. Auf der
Schulter vor dem Gipfelgrat fanden wir einige vorbereitete Stellen für
ein Skidepot. Ein letzter Halt, bevor Jean-Paul, Serge, Elsbeth, Beat
und Fabian die restlichen steilen Höhenmeter in Angriff nahmen. Jan,
Priska, Katja, Peti und ich beliessen es bei der Schulter und wir
starteten die abenteuerliche Abfahrt etwas früher. Die 5 Gipfelstürmer
erreichten das grosse metallene Gipfelkreuz nach ca. 1 Stunde –
Gratulation! Ihre Gedanken gingen zu unserem Freund Hannes, welcher
sicher auch seine helle Freude an diesem tollen Berg gehabt hätte.
Die Abfahrt durch das steile Couloir hatte es in sich. Jede Kurve
brauchte Überwindung und ein Sturz war nicht vorteilhaft. Der Anfangs
aufgeweichte Schnee verfestigte sich mit zunehmender Abkühlung immer
mehr, was das Bremsen immer schwieriger machte. Carmen und Franz
amüsierten sich herrlich beim Anblick der verschiedenen Skitechniken in
diesem steilen Gelände. Einige andere Teilnehmer seien sogar Kopfüber
runter gerutscht, wurde uns anschliessend bestätigt. Es war schon
interessant zu sehen, was sich so alles an diesem steilen Berg tummelte:
Snowboarder, Telemarker und sogar ein Paar mit 2 Hunden! Wahrlich
verrückte Hunde! Die Anspannung und Konzentration löste sich sobald wir
wieder in flachere Gelände kamen. Wow, ein tolles Erlebnis, den Berg nun
wieder von unten zu begutachten.
Die restlichen Höhenmeter konnten wir wieder mehr geniessen – vor
allem auch das Apéro bei der „VISA-Dame“ mit osteuropäischem Akzent
liess nicht nur Petis Gesicht erstrahlen. Den strahlenden „Atom-Peti“
hielt jetzt nichts mehr auf dem Stuhl – Tanzen war angesagt. Was unser
Sensler mit Vergangenheit in einer Folklore-Tanzgruppe so alles aufs
Parkett legte, war schon erstaunlich. Ein toller Tag nahm sein Ende
wieder bei einem herrlichen Dinner.
Die Rückfahrttortur
Nach diesen drei tollen Skitouren war die Motivation für einen
weiteren Bergausflug enorm gesunken. Nur René hätte sich noch auf eine
frühmorgendliche Abschlusstour einstellen können – aber da war er der
einzige. So entschieden wir uns für ein gemütliches Ausklingen mit
Besuch der kleinsten Stadt in Italien: Glurns. Hier trennten sich wieder
die Wege der Deutschweizer von der Walliser Delegation. Ein langer
Heimweg stand uns aber allen bevor. Ausgerüstet mit Engadiner Nusstorte,
Schokoladeneiern und vielen schönen Erinnerungen fuhren wir wieder
durchs Bündner-, Tessiner- und Urnerland zurück ins noch schönere
Wallis. Kurz nach Niederwald wurde die Idylle jäh gestört. Beat’s Auto
blinkte plötzlich und bog quietschend auf die nächstgelegene
Ausweichstelle nach links ab. Alle Autotüren wurden gleichzeitig
aufgerissen und drei Männer stürmten heraus: Pinkelpause! Zum Glück war
der Paparazzi sogleich zur Stelle um diesen bewegenden Moment für die
Nachwelt festzuhalten ;-)
Für die meisten war dieser Ausflug der Abschluss der Wintersaison.
Die fünf tollen Tage organisiert von Jean-Paul und Jan werden uns sicher
noch lange in Erinnerung bleiben. Besten Dank euch zwei für die super
Idee, die tolle Organisation und die prächtige Unterhaltung im Land
hinter den sieben Bergen.
Und das waren die
14 Schlemmer:
Die von der
Bar: Jan
Schnidrig, Jean-Paul Imboden, Serge Schnidrig
Die vom Flachland: René Schneider, Amanda Riederer,
Fabian Imboden
Die vom Tanzparkett:
Katja Aufdenblatten, Peter Werro
Die vom Balacker: Beat
Schnidrig, Elsbeth Imboden, Carmen Pfammatter
Die von Briglina:
Franz Andereggen, Priska Dellberg, Philippe Chanton
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